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Beinschmerzen kommen
selten von den Venen!

Schmerzen, Taubheit und Kribbeln in den Beinen kommen in den seltensten Fällen von Krampfadern. Viel häufiger sind sie durch orthopädische Probleme bedingt. Das möchten wir hier erklären.

Taubheitsgefühle und Kribbeln...

Taubheitsgefühle und Kribbeln sind durch Störungen in den Nervenbahnen bedingt. Schmerzen können auch dieselbe Ursache haben. Diese Broschüre möchte Ihnen die Zusammenhänge erklären.

Unsere Nervenbahnen: Unser Gehirn empfängt die Informationen aus unseren Körper über die Nervenbahnen. Das sind Fasern, die von der Haut, den Muskeln, den Knochen über das Rückenmark zum Kopf ziehen. Das Rückenmark ist der Nervenstrang, der in unserer Wirbelsäule lang zieht. Er ist durch die knöcherne Ummantelung geschützt. Zwischen den Wirbeln treten jeweils die Nervenenden ein, die zu einem Hautareal oder einem so genannten Dermatom gehören. Und es treten die Nervenenden aus, die vom Gehirn kommend die Befehle zu den Muskeln bringen, damit wir uns bewegen können.

Nervenverlauf vom Hirn zu den Beinen in der Wirbelsäule (Venenpraxis in Wunstorf, Dr. Erika Mendoza)

Wie auf dem Bild zu sehen (aus Leonhardt, Taschenatlas der Anatomie), treten an der Halswirbelsäule die Nerven für die Arme aus und in der Lendenwirbelsäule die Nerven für die Beine. Werden die Nerven im Rückenmark oder bei ihrem Austritt irgendwie eingeengt, führt das zu Missempfindungen (wie Kribbeln, Kältegefühl, Wärmegefühl, Schweregefühl) bis hin zur Taubheit wenn der Nerv komplett ausgeschaltet wird.

Wird ein „Befehls“-Nerv auf seiner Bahn vom Kopf zum Körper eingeengt, führt das dazu, dass wir plötzlich eine Bewegung nicht mehr ausführen können, wie bei einer Lähmung.

Es kann aber auch dazu führen, dass die Bewegung uns sehr schwer fällt. Wir können die Schmerzen zu verschiedenen Nervenaustritten zuordnen anhand der so genannten Dermatome (das sind die Hautareale, die von einem Spinal-Nerv versorgt werden, s. Bild aus Netter, Anatomie des Menschen).

Wie deute ich also meine Beinbeschwerden?

Kribbelt es längs ausstrahlend in einem der „Dermatome“ im Bild, ist es naheliegend, dass der zuständige Nerv im Rückenmark, am Austritt aus der Wirbelsäule oder im Verlauf „eingeengt“ wird. Das kann durch einen Beckenschiefstand oder eine Schädigung im Bereich der Wirbelsäule bedingt sein. Hier helfen Ihnen Neurologen, Neurochirurgen und Orthopäden weiter.

Besonders lästig sind diese Beschwerden, wenn Ihr Rücken seine Muskeln nicht mehr betätigt, sprich, wenn Sie in einem bequemen Sessel sitzen oder die Beine hoch legen. Das erklärt sich wie folgt: Solange Sie laufen oder frei sitzen, korrigiert die Rückenmuskulatur ständig alles, um möglichst Schmerzen zu vermeiden. Sitzen Sie aber in einem bequemen Sessel, im Auto oder liegen Sie im Bett, entspannen die Muskeln und korrigieren die Schädigung des Nerven nicht mehr. Deshalb treten rückenbedingte Bein-Beschwerden besonders dann auf, wenn die Beine hoch gelegt werden.

Verteilung der nervenbedingten Beinschmerzen nach Austrittspunkt an der Wirbelsäule (Venenpraxis in Wunstorf, Dr. Erika Mendoza)
Die Abgrenzung zu Beschwerden,
die durch Venen bedingt sind, ist ganz einfach:

Venenbedingte Beschwerden:
Sie treten dann auf, wenn Krampfadern vorliegen und das Blut im Bein zurück fließt, statt zum Herzen weiter zu fließen. Sobald wir die Beine hoch legen, kann das Blut ungehindert abfließen, staut nicht mehr zurück. Binnen Minuten lassen die venenbedingten Beschwerden nach! Sprich: Venenbedingte Beschwerden sind:

  • Schwellung, Schwere und Spannung der Waden, die nachlassen, wenn wir die Beine hochlagern oder Kompressionsstrümpfe tragen

  • Ein Gefühl des "Platzens" der Waden, das auch schmerzhaft sein kann, aber nachlässt, wenn wir Beine hochlagern oder Kompressionsstrümpfe tragen

  • Juckreiz entlang der Venen oder an braunen Flecken, die sich meist über Venengeflechten an der Wade entwickeln

Hitze oder Kältegefühl:

Oftmals ist es gar nicht ein Kribbeln oder ein Schmerz, der so lästig ist, sondern das Gefühl, dass die Füße ganz heiß oder ganz kalt sind. Viele Menschen (und auch Ärzte) denken sofort an eine Durchblutungsstörung. 

Eine Kälte bei Durchblutungsstörung liegt an den Schlagadern, der Fuß ist weißlich violett verfärbt und fasst sich tatsächlich kalt an. Bitte gehen Sie in Ihre Hausarztpraxis, die die Dringlichkeit einschätzen müssen und Sie dann zum Gefäßchirurgen oder Angiologen überweisen werden. Das hat mit Venen nichts zu tun. 

Hitze in der Wade mit Rötung entspricht wenn es akut auftritt einer Wundrose (Hausarzt, Blut abnehmen, Antibiotika, später Lymphdrainage und Kompression) oder wenn es sich über Jahre aufgebaut hat der Folge einer Venenerkrankung. 

Hitze oder Kältegefühl bei normal temperierter Haut: Meist im Liegen haben Sie das Gefühl, die Füße brennen oder sind eiskalt. Fassen Sie die Füße an, merken Sie, dass das Gefühl trügt, denn die Füße haben eine ganz normale Temperatur. Das ist eine Missempfindung, deren Ursache in einer Störung der Nervenleitung liegt.

 

Ein Taubheitsgefühl, ein Kribbeln oder gehen wie auf Watte

ist sicher niemals durch eine Krampfader oder eine Venenerkrankung bedingt. 

Es stellt sich dann ein, wenn ein Nerv kaum oder gar nichts mehr leitet. Das kann daran liegen, dass die Schädigung des Nerven am Rückenmark oder im Verlauf des Beines schon sehr fortgeschritten ist. Dann ist ein Bereich, meistens ein längsverlaufender betroffen. Es kann aber auch daran liegen, dass durch eine Krankheit wie Diabetes (Blutzuckererhöhung) die Nervenenden geschädigt werden. Auch viele Medikamente können diese Schäden verursachen. Daher gehört ein Taubheitsgefühl der Füße (gehen wie auf Watte) dringend neurologisch abgeklärt. Alle Beipackzettel müssen gelesen werden und ggf. mit dem Arzt besprochen werden, wenn ein zeitlicher Zusammenhang besteht nach der Einnahme eines neuen Medikamentes. Oft kann der Schaden wieder rückgängig gemacht werden, wenn das Medikament schnell wieder abgesetzt wird.

Schmerzen

Beinschmerzen haben sehr viele Ursachen. Nur ganz selten sind sie durch Venenkrankheiten bedingt. Um Ihnen zu helfen, dies zu verstehen, listen wir hier die möglichen Ursachen und Erkennungsbilder auf.

Bild einer Lipohypertrophie, nur wenn Berührungsschmerz im Fettgwebe vorliegt, handelt es sich um ein Lipödem
Schmerzen durch ein Lipödem
Beim Lipödem liegen die Schmerzen direkt symmetrisch im Fettgewebe beider Beine vor, und zwar
  • nicht im Knie
  • nicht im Knöchel
  • niemals einseitig
  • nicht längs ausstrahlend
  • nicht beim Treppe steigen
sondern beidseits bei Berührung der Fettschicht. Üblicherweise, (wenn nicht zusätzlich ein Übergewicht vorliegt) ist der Bauch deutlich schlanker im Vergleich. 
Wenn Sie jemals Kompression verschrieben bekommen haben oder sich ein Stützmieder als Capri-Hose selbst gekauft haben, werden Sie diese auch bei starker Hitze niemals freiwillig weg lassen, weil es die einzige Form ist, den Schmerz zu lindern. 
Trifft das nicht zu, haben Sie eine Lipohypertrophie (überschießendes Fettgewebe), aber sehr erfreulicherweise kein Lipödem. Weitere Ausführungen finden Sie hier. 

Schmerzen an der Beinaußenseite

die bis in die Hüfte, das Gesäß oder den Rücken ziehen, haben folgende mögliche Ursachen: Hüftarthrose oder Schleimbeutelentzündung an der Hüfte, Beckenschiefstand oder Nervenverletzungen mit so genanntem "LWS-Syndrom" sprich, Schmerzen durch Druck auf den Nerven in der Lendenwirbelsäule oder beim Austritt der Nerven aus der Wirbelsäule  (s.o.).

Schmerzen an der Beinrückseite

meist ab Mitte Oberschenkel über das Knie ziehend bis Mitte der Wade: Beckenschiefstand, Ischias-Nerv-Erkrankung oder Lendenwirbelsäulenerkrankung.

Dieser Schmerz tritt oft im Sitzen auf einem Stuhl auf. 

Schmerzen an der Beininnenseite

von der Leiste bis zum Innenknöchel sind oft durch einen Beckenschiefstand oder ein Lendenwirbelsäulenproblem bedingt. Der Schmerz kann auch am Knie stoppen und nur den Oberschenkel oder nur die Wade betreffen. Liegt gleichzeitig eine sichtbare Vene in diesem Bereich vor, ist das eher ein Zufall.

Wenn Sie nicht ganz sicher sind, können Sie mit zwei einfachen Mitteln versuchen, sich Klarheit zu verschaffen:

  • Wenn Sie bereits Kompressionsstrümpfe besitzen oder vielleicht selbst gekaufte Stützstrümpfe: Legen Sie diese Strümpfe an. Verschwindet der Schmerz dadurch nicht, ist er höchstwahrscheinlich nicht durch die Vene bedingt.

  • Wenn der Schmerz im Liegen nicht aufhört, sondern eher schlimmer wird, ist er höchstwahrscheinlich nicht durch die Vene bedingt.

  • Führen Sie die Übung unten beschriebene Übung durch! Hilft sie, handelt es sich nicht um einen Venenschmerz. 

​Venen verursachen nur dann in ihrem Verlauf Schmerzen, wenn sie verhärtet tastbar sind, wie ein harter Bleistift unter der Haut und bräunlich rötlich verfärbt sind: Sollte also am Bein eine steinharte Vene zu tasten sein, könnte eine "Venenentzündung" (ein Gerinnsel in einer oberflächlichen Beinvene) vorliegen. Dies sollte schnell vom Venenarzt abgeklärt werden. Ihr Hausarzt wird es untersuchen und Sie weiterleiten.

Meistens sind Schmerzen in der Leiste oder an der Beininnenseite längs verlaufend durch einen Beckenschiefstand oder ein Iliosakralfugengelenk-Problem verursacht. 

Als Test und auch als Behandlung dient folgende Übung:

Legen Sie sich entspannt auf den Rücken, auf eine weiche und möglichst warme Unterlage. Strecken Sie die Arme neben dem Körper aus. Stellen Sie ein Bein auf, sodass der Fuß neben dem Knie des anderen Beines zu stehen kommt. Starten Sie am besten immer mit dem Bein, das weniger oder keine Schmerzen hat. 

Dann lassen Sie das angewinkelte Bein ganz locker nach außen „plumpsen“ in Richtung des Pfeils. Üblicherweise liegt das Bein dann seitlich auf der Unterlage. Der Vorgang schmerzt nicht. 

Bei einer Blockade im kleinen Becken klappt das z.B. an einer Seite nicht oder es schmerzt. Wiederholen Sie die Übung, kann es knacksen und danach ist die Beweglichkeit besser. 

 

Sie können diese Übung, die den Beckenschiefstand nicht nur darstellt, sondern auch behandelt, eden Morgen im Bett zehn mal auf jeder Seite wiederholen.

Übung bei Beinschmerzen durch Beckenschiefstand (Iliosakralfugensyndrom) (Venenpraxis in Wunstorf, Dr. Erika Mendoza)
Übung bei Sakralfugensyndrom (Venenpraxis in Wunstorf, Dr. Erika Mendoza)

Schmerzen am Knie

Oft laufen sichtbare Krampfadern am Knie entlang. Da Krampfadern eine Erkrankung ist, die im Alter immer häufiger auftritt, ist es sogar irgendwann unwahrscheinlich, dass Sie keine Venen am Bein sehen, wenn die ersten Zeichen einer Kniearthrose auftreten. Dennoch schmerzen Venen nicht am Knie, es sei denn, ein Venenstrang ist verhärtet tastbar, wie eine Kordel, die man nicht weg drücken kann.

Ansonsten liegen Knieschmerzen eher an Kniekrankheiten, besonders, wenn sie bewegungsabhängig auftreten (zum Beispiel, wenn Sie nach längerem Sitzen wieder los laufen möchten oder nach längerem Gehen).

Hier wirkt sich jedoch auch ein Kompressionsstrumpf bis zum Oberschenkel sehr hilfreich aus, da er dem Knie einen gefühlten Halt gibt und die Schwellneigung der Kniegelenkkapsel verringert.

Schmerzen am Knöchel

Schwillt das Bein durch Krampfadern oder Lymphkrankheiten an, dann schmerzt auch mal der Knöchel. Er tut dies dann besonders am Nachmittag und am Abend und zwar solange, bis wir das Bein hoch legen und den Knöchel damit entlasten (oder aber einen Kompressionsstrumpf tragen).

Schmerzt der Knöchel aber auch schon morgens, sobald wir auftreten, verstärkt beim Laufen oder auch in der liegenden Position, wenn wir ihn mit der Hand abtasten, ist das Problem eher am Muskel- Sehnen- Skelettsystem zu suchen, als an den auch sichtbaren Krampfadern.

Habe ich eine Thrombose?

Viele Menschen haben Angst, bei Beinschmerzen handelt es sich um eine Thrombose:

Vorweg kann gesagt werden: Thrombosen verursachen kein Kribbeln, Taubheitsgefühl oder längs ausstrahlende Schmerzen!

Wenn Sie selbst „Checken“ möchten, ob Ihr Schmerz wohl von einer Thrombose bedingt ist, dann gehen Sie folgenden Fragekatalog durch. Treffen 4 Antworten zu, ist es wahrscheinlich, dass eine Thrombose vorliegt.

  • Ist mein Bein gegipst, geschient oder konnte ich es längere Zeit nicht bewegen?

  • Hatte ich einen schweren fieberhaften Infekt, der mich Tage ans Bett gebunden hat oder einen starken Flüssigkeitsverlust (Durchfall)?)

  • Ist eine Wade plötzlich drei Zentimeter dicker als die andere? (Messen Sie das ruhig mit dem Maßband!!)

  • Sehe ich am schmerzhaften Bereich neue Venen, die ich vor einer Woche noch nicht hatte?

  • Hatte ich schon eine Thrombose?

  • Leide ich an einer Krebserkrankung, die derzeit aktiv ist?

  • Kann ich Dellen in die Wade des schmerzenden Beines drücken (und zwar nur in diese Wade, nicht in die andere?)

Sollten Sie mehrere dieser Zeichen haben, stellen Sie sich bei Ihrem Hausarzt vor. Er wird dann noch einmal mit Ihnen die Fragen durchgehen und sich selbst ein Bild machen – um Sie dann ggf. als Notfall zum Thromboseausschluss weiter zu leiten.

Zusammenfassend...

Kribbeln, Taubheitsgefühle und längs ausstrahlende Schmerzen liegen nicht an den Venen. Oft wird gedacht, es handelt sich um Durchblutungsstörungen, daher kommen viele Menschen mit diesen Beschwerden zu uns. Leider können wir Ihnen nicht weiter helfen – es ist schade, wenn Sie für diese Auskunft ein paar Monate warten müssten ohne die eigentliche Behandlung zu erfahren.

Bitte wenden Sie sich an einen Orthopäden, Neurologen, Neurochirurgen, Chirotherapeuten, Osteopathen, oder fragen Sie Ihren Hausarzt, wer in Ihrer Nähe besonders spezialisiert ist für diesen Krankheits-Formenkreis.

Unsere Anmeldungskräfte sind Ihnen auch gern behilflich mit Adressen zu Kollegen und Therapeuten in unserem Umkreis.

Wir wünschen, dass es Ihnen bald besser geht!!

 


Illustratorin: K. Solbach, Hamburg, Alle Bilder aus Erika Mendoza „Ratgeber Krampfadern, Bein- schwellung und Thrombose“ Springer Verlag Heidelberg mit freundlicher Genehmigung.

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